In den letzten 25 Jahren hat sich im Verborgenen eine weit verzweigte Szene gebildet, in welcher der Konsum von psychoaktiven Substanzen zu therapeutischen Zwecken und zur Selbsterforschung praktiziert wird. Während die klinische Forschung über die Nutzung solcher Stoffe in der Therapie seit einigen Jahren eine regelrechte Renaissance erlebt, haben derartige Untergrundtherapien in der Vergangenheit zumindest in Deutschland eher für negative Schlagzeilen gesorgt (zwei Todesfälle in Berlin 2009, Massenvergiftung in Handeloh 2015). Diese Zwischenfälle sind ein klares Anzeichen dafür, dass hier eine bedenkliche Entwicklung stattgefunden hat. Psycholytische Untergrundtherapien sind abseits möglicher positiver Effekte problematisch, und dies vor allem aus zwei Gründen, die beide die Sicherheit der Beteiligten betreffen. Erstens birgt der Konsum von auf dem Schwarzmarkt erworbenen Substanzen immer ein Gesundheitsrisiko durch mögliche Verunreinigungen oder Überdosierungen. Zweitens schafft der teilweise illegale und stigmatisierte Kontext solcher Therapien ein ungünstiges Milieu, in welchem das Fehlen von fachlicher Aus- und Weiterbildung, Supervision und neutralen Ansprechpartnern für Patienten zu problematischen Übertragungsphänomenen und zu sozialer Isolation der Beteiligten führen kann.

Die Psychedelische Gesellschaft Deutschland (PGD) ist darum bemüht, Hilfestellung bei der Aufarbeitung dieser schwierigen Entwicklung innerhalb des sog. Psychomarktes zu leisten. Einem Teil dieses Problems will die PGD durch Bereitstellung von Information und Aufklärung begegnen. Auch stehen wir als Ansprechpartner für schwierig verlaufene therapeutische Prozesse oder Selbsterfahrungen zur Verfügung. Doch dieser Untergrund ist nicht ein rein deutsches Phänomen, sondern es gibt ihn in den USA und auch in anderen Ländern und die heterogene Szene erstreckt sich über ein weites Feld mit unterschiedlichen Graden an Privatheit und Professionalisierung. Und wie immer bei Entwicklungen, die wir nicht verstehen, sind Vorurteile schnell bei der Hand. Dabei wäre ein genauerer Blick auf diese Entwicklungen sicher hilfreich, um das Phänomen besser verstehen und den spezifischen Schwierigkeiten angemessen begegnen zu können. Denn was wissen wir wirklich über ungünstig verlaufene Therapien, was wissen wir über erfolgreiche Verläufe? Und wie wollen wir diese in ein Verhältnis setzen, um eine realistische Risikoeinschätzung zu erhalten? Warum gibt es überhaupt Untergrundtherapeuten und Untergrundpatienten und was suchen Menschen in diesen Nischen? Sind sie mit den gängigen Therapieverfahren unzufrieden? Sind sie austherapiert oder bloß neugierig?

Die Vermutung, dass es den Betroffenen auch um spirituelle Erfahrungen und Fragestellungen geht, liegt aufgrund der Natur psychedelischer Erfahrungen nahe (vgl. Dr. Ros Watts, Imperial College London). Prof. Dr. Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen schreibt dazu: „Viele Jahrzehnte lang wurden religiöse und spirituelle Themen in der Psychotherapie vermieden und ausgeblendet. Die mangelnde professionelle Bearbeitung der existenziellen Dimension in der Psychotherapie hat zu dem ausufernden psycho-spirituellen Lebenshilfemarkt mit zum Teil fragwürdigen und gefährlichen Angeboten beigetragen“ (s. Webseite der EZW).

Wir brauchen zunächst einmal Antworten auf diese Fragen, bevor wir nach Lösungen suchen, denn selbst eine strukturell geplante Professionalisierung könnte an den tatsächlichen Erfordernissen vorbeigehen. Eine stigmatisierende und diffamierende Behandlung der Thematik aber ist auf keinen Fall hilfreich sondern sogar ausgesprochen schädlich. Sie treibt die Betroffenen aus Angst weiter in die Verschwiegenheit und lenkt die Situation statt in Richtung einer professionellen Unterstützung und Beratung hin zu noch mehr Isolation und Verunsicherung. Dabei sind es genau diese Faktoren, die zu ernsten Problemen führen und die Sicherheit der Anwender gefährden können. Man darf sicher annehmen, dass es spezielle Gründe für die Existenz eines solchen Untergrunds gibt, die den Protagonisten nicht a priori schuldhaft angelastet werden können. Statt einer Individualisierung gesellschaftlicher Risiken und der Privatisierung sozialer Verantwortung sollte diese problematische gesellschaftliche Entwicklung mit wissenschaftlich fundierten Mitteln genauer eruiert werden. Es wäre zudem sicher interessant herauszufinden, inwieweit sich die Erkenntnisse, gewonnen aus psychedelischen Erfahrungen in einem nicht-klinischen Rahmen von den Erkenntnissen aktueller Forschungsarbeiten unterscheiden.

Seit einigen Jahren findet – auch gefördert durch die PGD – eine allmähliche Öffnung dieses Untergrunds statt. Berufsverbände, Wissenschaftler und Presse sollten diese Bereitschaft würdigen und durch ehrliches Interesse fördern, statt im Diskurs einseitig auf den Zwischenfällen zu beharren und damit zu einer Verfestigung der Stigmatisierung der Betroffenen beizutragen. Ein psychotherapeutischer Untergrund ist ein Phänomen, welches wir genauer verstehen müssen. Sich von ihm zu distanzieren und ihn zu bekämpfen, ist ohne die Gründe für dessen Existenz zu kennen nur sinnloser Aktionismus. Eine unvoreingenommene Erforschung dieser Szene ist nötig, um die vielen Fragestellungen gezielter zu untersuchen. Auf der Basis neuer Erkenntnisse könnte die Bereitstellung von Hilfsangeboten und Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen den Untergrund aus dem Zwielicht heben und den Menschen zu mehr Sicherheit verhelfen. Denn eines ist klar: so wie bisher kann es nicht mehr weitergehen, der Untergrund ist an einem Scheideweg angelangt. Und wir brauchen an dieser Stelle nicht nur eine Kontroverse, sondern auch einen offenen Dialog.