Psychedelische Therapie in den USA

Okt 26, 2015

If You’re Going To San Francisco…

 

Anfang September: Ich fliege mit dem Filmemacher Dirk Liesenfeld nach San Francisco. Er arbeitet gerade an einer Dokumentation über die psychedelische Therapie. Wir führen Interviews mit Mitarbeiten von MAPS, einem wissenschaftlichen Institut zur Erforschung von psychedelischer Medizin im südlich gelegenen Santa Cruz. Anschließend fahren wir in den Norden von San Francisco. Am Fishermans Wharf interviewen wir zufällig ausgewählte eher jüngere Leute. Drei von zehn haben Erfahrungen mit Psychedelika, einige nehmen diese regelmäßig, z.B. um eine andere Sichtweise auf ihre Probleme zu bekommen. Der offene Umgang damit überrascht mich. Ab und zu riecht es im Park nach Cannabis – ganz legal hier in Kalifornien, zumindest zu medizinischen Zwecken.

Am Tag darauf erzählt uns ein Vietnam-Veterane, wie er seine posttraumatische Belastungsstörung in Eigenregie mit MDMA geheilt hat. Im Anschluss daran fahren wir zu einem Therapeutenpaar, welches im Rahmen einer MAPS Studie MDMA gestützte Psychotherapie mit schwerkranken Patienten durchführen darf. Dass die beiden so offen über ihre Arbeit reden, ist inspirierend und befreiend. Aber kann sich die psychedelische Therapie durch die Forschungsarbeit in den USA in die Gesellschaft integrieren? Wir wohnen einer MDMA Sitzung bei, wie sie in der Studie durchgeführt wird. Jedes Wort, jede therapeutische Intervention ist vorher exakt festgelegt, und alles wird peinlichst genau dokumentiert. Schließlich will man die Anforderungen der FDA (Food and Drug Administration) erfüllen, die sich anscheinend durch hohe Auflagen vor zu vielen Anträgen zur Freigabe von Substanzen schützen will.

Ich bringe das Gespräch auf eine kulturelle Revolution, wie sie durch die psychedelische Therapie ausgelöst werden könnte. Josh¹, Arzt und Psychotherapeut seit 1968, springt gerne auf diesen den Zug auf. Josh ist ein alter Haudegen. Er gehört zu den Therapeuten, die ihren Patienten MDMA gegeben haben, als es noch legal war. Über 1.300 Sitzungen wurden vor der Kriminalisierung abgehalten, nie gab es ein Problem. Der Patient erschien morgens früh in der Praxis und bekam eine Portion MDMA, meist zwischen 135mg und 145mg. Ein wenig später stieß dann der Therapeut dazu und machte zwei Stunden Therapie auf dem Höhepunkt der Substanzwirkung. Am Mittag konnte der Patient wieder nach Hause.

Die Leute hier nehmen von der Bewegung in Europa und ihren spezifischen Problemen kaum Notiz. Während man in den USA voller Zuversicht mit den Drogenbehörden auf eine Legalisierung der psychedelischen Therapie hinarbeitet, scheint die Situation in Deutschland immer schwieriger zu werden. Gerade gestern las ich, dass eine Gruppe von 29 Heilpraktikern und Ärzten in Niedersachsen mit Vergiftungserscheinungen in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert wurde. Die Reaktion der öffentlichen Meinung ist entsprechend katastrophal.

Man gibt sich zuversichtlich hier im sonnigen Kalifornien. Die Legalisierung der MDMA-gestützten Psychotherapie soll bis 2021 erfolgen. Die Chancen stehen offenbar nicht schlecht. Und was ist mit LSD? „Das kommt dann noch“, sagt Josh. Zuerst will man es mit den etwas einfacheren Substanzen probieren.

¹ Name geändert